26 Schüler der 10. Jahrgangsstufe und der Geschichts-AG machten sich zusammen mit ihren Lehrern Barbara Junge und Marcel Griesang auf den Weg nach Mainz, um dort in den Kammerspielen die Theatercollage „Sie nannten sich Alte Kämpferinnen“ zu sehen.
Die Frage, aus welchen Gründen viele Deutsche Adolf Hitler schon lange Zeit vor der sogenannten Machtergreifung bedingungslose folgten und ihn in seiner Sache unterstützen, stellte sich der amerikanische Soziologe Theodor Abel bereits im Jahr 1934. Um an möglichst authentische Aussagen zu kommen, inserierte er mit folgender Annonce in den bekannten Parteiblättern der NSDAP: „400 Mark zu gewinnen, für die beste Lebensgeschichte eines Anhängers der Hitler-Bewegung“. Teilnehmen durfte nur, wer bereits vor 1928 Mitglied der Partei geworden war. Insgesamt erhielt Abel etwa 683 Zuschriften. Darunter waren auch 36 Aufsätze von Frauen im Alter von 17 bis 73 Jahren. Die Beweggründe für die Unterstützung Hitlers waren dabei sehr vielfältig. Einige der Frauen sehnten sich nach einem wiedererstarkten Deutschland nach dem verlorenen Weltkrieg und damit einer Rückgängigmachung des Versailler Vertrages, der Deutschland unter anderem die Alleinschuld am 1. Weltkrieg gab. Andere waren komplett von der Aura Hitlers und seinem Auftreten eingenommen. Wiederum andere Frauen erhofften sich von ihm einen wirtschaftlichen Aufschwung und damit ein Rückgang der Arbeitslosenzahlen. Der Weimarer Republik trauten die Frauen eine Verbesserung der Lage alle- samt nicht mehr zu.
Besonders beeindruckend für die Schüler war das Schicksal der zum Zeitpunkt der Einsendung des Aufsatzes 17 jährigen Lissy Schneider. Bei ihrem Onkel, so erzählte sie, sei sie zum ersten Mal mit der Person Hitlers in den Erzählungen ihres Onkels in Kontakt gekommen. Ihr Onkel hob dabei die heldenhaften Taten des Führers im Weltkrieg hervor und die Gründung seiner Partei in München. Diese Geschichten faszinierten sie so sehr, dass ihr Onkel ihr jeden Abend vor dem zu Bett gehen von Hitler erzählen musste. Die Bewunderung ging sogar so weit, dass die junge Schülerin ein Bild des Reichskanzler, das sie von ihrem Onkel erhalten hatte, sogar als ihr „kleines Heiligtum“ bezeichnete. Sie machte es sich sogar zu Aufgabe, ihre Mitschüler von diesem Zeitpunkt an „von der nationalsozialistischen Bewegung zu erzählen und sie, so gut wie möglich, darüber aufzuklären“. 1932 schrieb Lissy dann auch zum Aufsatzthema, was sie sich von der Reichspräsidentenwahl 1932 erwarte, das nur Adolf Hitler das Rennen machen könne. Ihren Aufsatz schloss sie mit den Worten „Heil Hitler“. Als ihre Lehrerin dies sah, tadelte sie ihre Schülerin schwer. Daraufhin sprang das Mädchen auf, streckte ihre Arm aus und erwiderte der Lehrerin „Jawohl Heil Hitler“. Als daraufhin in der gesamten Klasse ein großer Tumult ausbrach, meinte Lissy Schneider beobachten zu können, dass die jüdischen Mitschüler ihr am liebsten „die Augen ausgekratzt“ hätten. Sie blieb jedoch ganz ruhig und erwiderte ihren Mitschülern „regt euch nur nicht auf. Ich werde Euch später mal an diesen Vorfall erinnern“. Gerade diese Drohung sollte leider wenige Jahre später für viele anfängliche Gegner der Nationalsozialisten traurige Wahrheit werden und die Meisten zahlten ihren Widerstand schließlich mit dem eigenen Leben. Lissy Schneider gründete 1932 den NS Schülerinnenbund und am 30. Januar 1933, also am Tag an dem Adolf Hitler die Reichskanzlerschaft übertragen wurde, hielt sie zufrieden in ihrem Aufsatz fest „da war auch ich stolz, ein wenig für diesen Sieg mitgekämpft zu haben“.
Ein weiteres Schicksal, das den Schülern besonders in Erinnerung blieb, war das der 1933 42 jährigen Lisi Paupie. Diese war, nachdem ihr Mann an den Folgen einer Verwundung im 1. Weltkrieg nach nur etwas mehr als einem Jahr Ehe gestorben war, alleine für die Erziehung ihres gemeinsamen Sohnes zuständig. Sie war nahezu mittellos und suchte nach einem „Retter“ für ihre kleine Familie. Diesen, so schrieb sie in ihrem Aufsatz an Abel, fand sie dann in der Person Adolf Hitlers. Dieses Gefühl wurde dann noch bestärkt, als ihr Vetter im Rahmen des sogenannten Hitlerputsches 1923 an der Feldherrnhalle in München im Kugelhagel starb. Besonders erschreckend in ihren Ausführungen ist der Satz, dass sie „als Mutter eines einzigen Kindes dazu bereit sei es dem Führer zu geben“. Dies sollte vor allem in den letzten Kriegstagen im Mai 1945 für viele tausende verblendete Jugendliche traurige Wahrheit werden. Über dem Bett ihres Jungen brachte sie die Worte „Was würde der Führer dazu sagen?“ an. Ihr Leitspruch bei der Erziehung ihres Sohnes war demgemäß auch “Treue, Glaube, Disziplin, Gehorsam, Pflichtbewusstsein, Menschenliebe, Tierliebe, Achtung vor den Geschöpfen Gottes, in Natur, und Tierleben“. Diese Ansichten hatte sie, so ihre Ausführungen weiter, alles im „Buch des Führers, Mein Kampf,“ gefunden.
In nahezu allen Ausführungen der „Alten Kämpferinnen“, so bezeichnete man die Frauen, die schon vor 1928 der Partei beigetreten waren, schwang ein starker Antisemitismus mit. Viele sahen in den jüdischen Mitbürgern Verräter, die auch für die Niederlage im Ersten Weltkrieg mit verantwortlich gewesen sein sollen.
Am Ende der 90 minütigen Vorstellung waren die Schüler von den schauspielerischen Leistungen der Darsteller sehr begeistert. Fassungslos waren sie jedoch bezüglich der gerade gehörten Inhalte. Der Fanatismus, mit dem die Frauen von ihrem großen Idol berichtet hatten, ließ die Schüler, besonders mit dem Wissen, was in den folgenden Jahren in Deutschland und Europa geschehen sollte, erschaudern. Zum Zeitpunkt, als die Berichte der Frauen nach Amerika gesendet wurden, gab es schon hunderte Konzentrationslager und Gefängnisse, wo unliebsame „Volksgenossen“ gequält und ermordet wurden. Ob die Frauen davon wussten, konnte man den Briefen leider nicht entnehmen. Es ist aber davon auszugehen, dass sie zumindest gerüchteweise davon Kenntnis hatten. Gerne würde man sie mit den Gräueltaten der Nationalsozialisten konfrontieren und sehen, was sie zu erwidern hätten.