Schüler der Geschichts-AG nehmen zum wiederholten Mal Teil am Volkstrauertag der Stadt Bingen
Kriege gehen immer mit unvorstellbarem Leid einher. Zumeist wird das Augenmerk dabei auf die Leiden der Soldaten an der Front gelegt. In den letzten Jahren, hatten sich die Schüler der Geschichts-AG für ihre Beiträge im Rahmen der Feierlichkeiten zum Volkstrauertag, auch auf die Schicksale der Soldaten an der Front fokussiert. Dabei stand zum Beispiel im Jahr 2021 das Schicksal der Soldaten im Kessel von Stalingrad im Fokus des Gedenkens. In diesem Jahr legten die Schüler ihr Augenmerk jedoch auf eine andere Gruppe von Personen, die im Krieg stets viele Schicksalsschläge und persönliches Leiden erfährt. Dabei geht es um die Zivilisten. Ihr Leiden, durch den Verlust ihres eigenen Lebens oder des Lebens geliebter Menschen, lässt sich nur schwer in Worte fassen.
Exemplarisch für das Leiden im 2. Weltkrieg, befasste sich die AG mit dem Schicksal der Menschen in der während des 2. Weltkriegs belagerten Stadt Leningrad und mit der Erinnerung einer vertriebenen Familie aus Ostpreußen.
Dabei war es das Ziel der Schüler zu verdeutlichen, dass Kriege und die damit verbundenen Schrecken für alle Nationalitäten gleich sind und für alle unermessliches Leid mit sich bringen.
Der folgende, im Rahmen der Feierlichkeiten vorgetragene Bericht, schil-derte die grauenvollen Zustände für die Zivilbevölkerung während der 872-tägigen Belagerung Leningrads während des 2. Weltkriegs. Die Stadt wurde auf Befehl Adolf Hitlers über zwei Jahre lang belagert, so dass die dort über zwei Millionen Menschen nahezu von der Außenwelt abgeschnitten waren. Ihr Tod war dabei Bestandteil der Taktik.
„Es fuhren Lastwagen voll beladen mit an Hunger gestorbenen Menschen durch die Straße. Oder sie waren erfroren. In den Wohnungen gab es keine Heizungen. Die Fensterscheiben waren zerbrochen. Denn immer wieder wurden wir bombardiert. Der Frost war fürchterlich. Viele starben einfach in den Wohnungen“, erinnerte sich im russischen Fernsehen eine der wenigen noch Überlebenden.
In ihrem Tagebuch notierte die damals junge Olga W.: „Die Ratten liefen auch über die Kinderbetten. Meine Mutter erzählte mir: Einmal kam sie nach Hause und auf den Kissen war Blut. Wir Kinder waren offenbar so kraftlos, dass wir uns nicht wehren konnten. So hat mir eine Ratte eines meiner Ohrläppchen abgebissen. Damals war ich acht Jahre alt.“
Der Belagerung Leningrads sollten bis zur Befreiung der Stadt durch die Rote Armee über eine Millionen Menschen zum Opfer fallen.
Der im Anschluss vorgetragene Bericht, schilderte ebenfalls Ereignisse, die sich mit Verlust und unendlichem menschlichen Leid befassten. Er thematisierte Ereignisse, die sich im selben Konflikt nur kurze Zeit später zutrugen. Dabei kamen die Erinnerungen des damals achtjährigen Manfred Glatz zur Sprache, der sich am 20. Januar 1945 mit Teilen seiner Familie auf die Flucht aus seinem ostpreußischen zu Hause vor der heranrückenden Roten Armee begeben musste.
Was man in zwei Minuten ergreifen kann, wenn man seine Wohnung für immer verlassen muss, besonders wenn man nichts vorbereitet hat, kann sich jeder vorstellen. Mein 5-jähriger Bruder war nicht da. Er war bei der Oma, 40 km weiter westlich. Wir sollten ihn erst ein Jahr später in einem kleinen mecklenburgischen Dorf wieder finden. Wir kletterten, zusammen mit mehreren Frauen und Kindern, auf die Ladefläche des LKW. Wir kamen aber nur 500m bis an den Friedhof. Das Fahrzeug stoppte, weil Tiefflieger uns angriffen. Herunter vom Wagen und rein in den Straßengraben! Das machte mir richtig Spaß, es genauso zu machen wie die Soldaten, die von einer Grabenseite zur anderen sprangen, je nachdem von wo die Geschosse geflogen kamen. Die Flieger, die sehr langsam flogen, bildeten einen Kreis über uns und schossen aus Maschinengewehren.
Direkt über mir suchte ein etwa 15 jähriger Junge hinter einem Baum Schutz. Mit Entsetzen sah ich, wie eine MG-Salve quer von oben nach unten in seinen Körper einschlug. Als er langsam vor meine Füße in den Straßengraben rutschte und der bisher weiße Schnee sich blutrot färbte, hatte ich begriffen was Krieg bedeutet.
In ihrem Schlusswort hielten die Schüler fest, dass sie die vorherigen Berichte um hunderte, ja sogar tausende erhaltene Einzelschicksale aus der Zeit des 2. Weltkriegs erweitern hätten können. Dies, so die AG-Schüler, gelte natürlich auch für weitere Konflikte, wie etwa den 1. Weltkrieg. Ziel der Schilderungen sei es jedoch gewesen, aufzuzeigen, dass der Krieg keine Rücksicht auf die Nationalität oder Konfession nimmt. So sei das Leid, der Schmerz und der Verlust auf allen Seiten gleich. Vielmehr sollten solche Berichte aus der Vergangenheit allen eine Mahnung sein, das Möglichste dafür zu tun, dass sich solches Unheil nicht mehr wiederhole.
Im Anschluss an die kirchliche Feierstunde, begaben sich die Schüler zusammen mit einer Abordnung der Bundeswehr, der freiwilligen Feuerwehr Dromersheim, Herrn Bürgermeister Feser, der Landrätin Frau Schäfer und allen anderen Anwesenden auf den Vorplatz. Dort nahmen sie zwei Gedenkkränze der Stadt Bingen in Empfang und legten sie am Dromersheimer Ehrenmal für die Gefallenen der Weltkriege nieder.